Die Grundschule Posthausen - Partnerschule für Fodeya
2004 war die Grundschule Posthausen auf der Suche nach einem grundschulgeeigneten Projekt, um einen nachhaltigen Beitrag zur globalen Gerechtigkeit zu leisten. Über einen engagierten Vater und Mitglied im Rotary Club Oyten erfuhren wir vom geplanten Aufbau einer Grundschule in Fodeya, Präfektur Kindia in Guinea/Westafrika.
Somit war das Projekt zum globalen Lernen in Kooperation mit dem Rotary Club, Oyten, und der guineischen
Stiftung „Lönni Bankhi“ („Haus des Lernens“) gefunden.
Durch die von der Grundschule Posthausen eingeworbenen Spenden werden u.a. der bestehende Schulbetrieb und der Unterhalt der Gebäude gesichert. Dies geschieht durch finanzielle Unterstützung bei den Schulgeldzahlungen insbesondere für Waisenkinder und der Ausstattung mit Arbeitsmaterialien und Schulbüchern. Die weibliche Lehrerstelle wird durch Spenden des Kollegiums der Grundschule Posthausen finanziert.
Die Fertigstellung des Brunnens 2009 und die verbesserte Trinkwasserqualität haben merklich zu einem Rückgang der Todesfälle durch Cholera und Polio geführt. Zusätzlich werden seit 2009 gezielte Impfaktionen bei Kindern und Erwachsenen durchgeführt. Daher wird sich die Grundschule Posthausen auch weiterhin für die finanzielle Sicherstellung dieses Gesundheitsprojekts einsetzen.
2007 konnte eine 10-köpfige Delegation der GS Posthausen nach Guinea reisen und die Dorfbewohner, ihre Kinder, das Lebensumfeld und den Unterricht in der Schule hautnah erleben:
Alle Dorfbewohner waren an der Schule zur musikalischen Begrüßung versammelt. Es gab keine Berührungsängste, alle wollten uns die Hände schütteln und körperlichen Kontakt herstellen. Besonders erstaunt und gerührt waren wir über die deutschen Begrüßungsworte, die die Kinder für uns gelernt hatten.
Die Kinder in Fodeya müssen Schuluniformen und Schuhe tragen. Trotzdem waren viele Kinder in zerrissener Privatkleidung anwesend. Fast alle Kinder liefen barfuß, weil die Eltern das Geld für Schuhwerk und Uniform nicht aufbringen können.
Unsere deutschen Kinder erlebten, dass die guineischen Kinder neugierig über ihre weiße Haut strichen, um zu überprüfen, ob darunter nicht doch schwarze Haut verborgen sei. Alle Teilnehmer vernahmen die lauten, erstaunten „Fauté, fauté“ (Weiße!) Ausrufe der Kinder und Erwachsenen und erlebten, dass mit dem Finger auf uns gezeigt wurde, sobald unsere Gruppe auftauchte. Wir fühlten uns dabei sehr unbehaglich!
In der 6jährigen Ecole Primaire werden ca. 180 Schülerinnen und Schüler unterrichtet. Dabei werden die Jahrgangsstufen 1-3 sowie 4-6 in jeweils einem Klassenraum gemeinsam unterrichtet. In jedem Klassenraum werden ca. 45 Kinder am Vormittag und weitere 45 am Nachmittag unterrichtet. Wir erfahren, dass die Klassen für afrikanische Verhältnisse sehr klein sind (normal = 80 Kinder / Klasse). Keineswegs selbstverständlich ist hier die koedukative Erziehung, die Beschäftigung einer weiblichen Lehrkraft sowie der Schulbesuch von vielen Waisenkindern, die das Schulgeld nur mit Spendenhilfe der Partnerschule GS Posthausen aufbringen können. Die Unterrichtssprache ist nicht Französisch wie in den öffentlichen Schulen, sondern die Regionalsprache Soussou.
Als Gemeinsamkeit erlebten wir, dass alle Kinder gerne Fußball spielen und auch die Fauté-Kinder gerne in die Mannschaften aufgenommen wurden.
Not macht erfinderisch: Mangels Elektrizität werden die Schulkinder nicht über einen Gong, sondern mit Schlägen einer Eisenstange gegen eine alte Autoreifenfelge zum Unterricht gerufen.
Die deutschen Schüler erfahren durch dieses Projekt viel über die Lebenswirklichkeit im ländlichen Afrika ohne fließendes Wasser und elektrischen Strom und lernen dadurch die konkreten Lebensumstände von Kindern ihrer Partnerschule kennen:
Alle Kinder müssen zu Fuß – bis zu 8 km = bis zu 2 Std - zur Schule kommen. Es gibt keine andere Möglichkeit, die Schule zu erreichen. Alle Materialien müssen von Kindern und Erwachsenen vorzugsweise auf dem Kopf transportiert werden. Wir erlebten Kleinkinder, die eine aufrecht stehende Wasserflasche problemlos auf dem Kopf transportieren konnten. Unsere eigenen Versuche fielen dagegen sehr kläglich aus.
Bei den Vorbereitungen zum großen Schulfest konnten alle Beteiligten viele Alltagserfahrungen sammeln: Für das gemeinsame Essen wurden vor unseren Augen 3 Ziegen geschächtet. Ziegenfleisch ist in Fodeya besonderen Festessen vorbehalten und hat uns trotz geruchlicher Vorurteile geschmacklich sehr überzeugt. Das Essen selbst beginnt mit der gemeinschaftlichen Reinigung der Hände in einer großen Waschschüssel. Die Speisen werden auf einem Dreisteinfeuer zubereitet und ebenfalls in einer großen Schüssel gereicht. Alle Familienmitglieder setzen sich auf dem Boden darum herum, nehmen sich nach festgelegter Rangfolge die Essensportion aus der Schüssel und führen sie mit der rechten Hand zum Mund. Die Verwendung der linken Hand ist absolut tabu (= unrein). Nach dem Essen werden die Hände erneut gewaschen. Diese alltägliche Esstradition war für alle Beteiligten beeindruckend und gewöhnungsbedürftig.
Der Tagesablauf in der Nähe des Äquators wird – wegen fehlender Elektrizität – durch den Sonnenlauf bestimmt. So endete unser Fest auch 30 Minuten vor Sonnenuntergang, damit alle Festteilnehmer im Hellen nach Hause kommen konnten. Wir erlebten hautnah die für uns extrem kurze Dämmerung und die plötzlich eintretende Dunkelheit. Der aufgehende Halbmond lag dabei für uns völlig falsch in waagerechter Ausrichtung.
Die Wasserversorgung der Dorfbewohner erfolgte bis 2009 durch den Transport von 20 Liter-Wasserkanistern vom nahe gelegenen Fluss zur Schule und zum Dorf. Dieses Wasser wurde gleichermaßen im Haushalt, zur Körperhygiene und als Trinkwasser verwendet. Viele Darminfektionen hatten ihren Ursprung im verunreinigten Trinkwasser und führten auch zu Todesfällen. Mit den Spendengeldern des Rotary Club Oyten, des Rotary Club Conakry-Camayenne und der GS Posthausen konnte der erste Trinkwasserbrunnen gebohrt und in Betrieb genommen werden (Bohrtiefe 70 m!). Die Anzahl der lebensbedrohlichen Erkrankungen hat seitdem rapide abgenommen.
Als begleitende Maßnahme werden Impfaktionen organisiert, die zweimal jährlich im Dorf durch einen extra anreisenden Arzt vorgenommen werden. Die Kostenübernahme dafür wird über Spendengelder der GS Posthausen gewährleistet. Unsere Kinder erfahren, dass für sie selbstverständliche Impfungen in Afrika lebensrettende Maßnahmen sind.
Um diese Lebensumstände den Schülerinnen und Schüler in unserer Schule näher zu bringen wurde z.B. in einer Arbeitsgemeinschaft seit Februar 2005 an einem Schulmodell im Maßstab 1:20 gebaut, das die Arbeitsgänge in Guinea weitgehend nachempfindet. Somit erlebten die Kinder hautnah, wie lange ein Bau in Handarbeit dauert. Damit bauen sie gängige Klischeevorstellungen ab und eine aufrichtige Haltung gegenüber einer anderen Kultur auf.
Jede Klasse beschäftigt sich während eines bestimmten Monats im Schuljahr intensiv mit dem Projekt und erwirtschaftet Spendengelder für die Schule in Fodeya. Auch wurden Sachspenden für den Aufbau einer Fahrradwerkstatt, einer Schneiderei und eines Büros mit Hilfe eines Containers im Oktober 2012 versandt. Diese Aktivitäten werden dokumentiert und einmal im Jahr am Kindia-Tag in der Regel von den Kindern selbst präsentiert. Damit leben und erleben die Kinder Verantwortung und Solidarität im globalen Kontext.
Die Hanse-Life Messen in Bremen 2011 und 2012 boten ausgewählten Schülerratsvertretern die Möglichkeit, sich dem interessierten Publikum zuzuwenden und persönlich die konkrete Arbeit zum Projekt darzustellen.
Während des Gründungsfestes des Fördervereins „Kania“ im Oktober 2013 stellten vier Kinder der GS Posthausen den Anwesenden die verschiedenen Aktivitäten zur Erwirtschaftung von Spendengeldern dar:
Hier sieht man, wie sie ein eigenes Bastelangebot betreuen:
Eine Versteigerung von selbstgezogenen Avocadopflanzen hat weitere Spendengelder eingebracht:
Zum Abschluß werden die eingenommenen Spendengelder gezählt und dem Verein übergeben.
Alle zwei Jahre besucht uns der Projektleiter Bangoura, so dass jedes Kind zweimal in seiner Grundschulzeit Gelegenheit hat, nicht nur persönliche Fragen zu stellen, sondern auch im Unterricht zu erleben, wie etwa mit Bambus und Bast tragfähige Verbindungen hergestellt werden, damit z.B. kleine Türme oder Buchstützen gebaut werden:
Unsere Schüler erleben Sekou ebenfalls hautnah. Berührungsängste sind anfangs deutlich spürbar, die sich allerdings im Laufe des Kontaktes zunehmend auflösen und in Begeisterung umschlagen. Auch unsere weißen Kinder testen die schwarze Haut auf Echtheit und wundern sich über die ungewohnt feste Haarstruktur. Sekou Bangoura spricht 3 Sprachen (Soussou, Französisch, Deutsch). Durch fehlende Anwendungsmöglichkeiten spricht er trotz jahrelangem Aufenthalt in Deutschland (während des Architekturstudiums) nur noch gebrochen Deutsch, versteht jedoch sehr gut. Die auffällige Sprache verunsichert anfangs unsere Schüler und führt zu verwundertem Lachen, Verlegenheit und abfälligen Bemerkungen. Dieses Verhalten schlägt allerdings in kürzester Zeit in echtes Interesse und Neugier um. Ab diesem Zeitpunkt kann sich Sekou Bangoura nicht mehr von den Kindern befreien, die ihn belagern, ausfragen und immer wieder berühren wollen.
Durch authentischen Vortrag des Projektleiters erfahren die Kinder ihren eigenen, bekannten Schulalltag als eine Möglichkeit unter mehreren und erkennen Schwierigkeiten und Besonderheiten im Schulalltag unserer Partnerschule in Fodeya/Guinea.
Die von Sekou Bangoura vorgestellte traditionelle Verbindungstechnik von Bast und Bambus beherrscht in Fodeya jedes Kind. Mithilfe dieser einfachen Technik werden haltbare Gebrauchsgegenstände aus vor Ort nachwachsenden Rohstoffen gefertigt. Unsere deutschen Schülerinnen und Schülern empfinden sie jedoch als s e h r schwer zu erlernen. Die Verbindungen halten nur schlecht, alles rutscht und fällt wieder zusammen! Voller Hochachtung erfahren sie, dass in Afrika sogar Aussichtsplattformen auf diese Weise gebaut und von vielen Personen gleichzeitig betreten werden können. Für uns noch ein weiter Lernweg!
Andererseits ist auch die Hospitation in unserem Unterricht für den Projektleiter als eigene pädagogische Fortbildung wichtig: So wurde in Fodeya der „Erzählkreis“ eingeführt, die Kinder veranstalten und leiten Gesprächsrunden („Ich darf reden…“) und feiern gemeinsam Geburtstag, was dort bisher nicht üblich war.
Die Zusammenarbeit mit dem Rotary-Club Oyten dauerte von 2004 bis 2010, seitdem setzt diese Arbeit der neu gegründete Förderverein „Kania“ fort. Im Januar 2014 wurde der neue Kooperationsvertrag zwischen der GS Posthausen und dem Förderverein unterzeichnet. Zwei Gründungsmitglieder aus dem Kollegium nehmen regelmäßig an den Vorstandsitzungen teil und sichern so den notwendigen Informationsfluss.
Für unser Engagement für die Grundschule in Fodeya erhielt unsere Schule folgende Auszeichnungen: Umweltschule in Europa und Internationale Agenda-21 Schule für den Zeitraum 2004 – 2012 und den mit 2000€ dotierten Kinderwelten-Award 2011, der selbstverständlich mit der Schule in Fodeya geteilt wurde.
Für die Grundschule Posthausen
Hans Heitmann
Kindia-Projektkoordinator
Kontakt: heilima.buchhaupt@ewe.net oder Telefon: 0421-6161232
Jedes Jahr wird die Kooperation zwischen der Grundschule Posthausen und dem Verein KANIA e.V.
erneuert. Vertragspartner sind neben der Grundschule und dem Verein auch der Schülerrat der
Grundschule Posthausen - ein tolles Beispiel für das Demokratieverständnis, das hier gelebt wird.
VertragPosthausen.pdf
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Hier finden Sie weitere Informationen zur Kooperation (Stichwort Kindia) und über die Grundschule
Posthausen:
www.grundschule-posthausen.de